Sonntag, 14. Februar 2010

Es war einmal…

Herz-Stein… ein Stein. Schon seit einer Ewigkeit lag er zusammen mit vielen anderen Steinen im Flussbett eines Wildbachs. Er fühlte sich wohl inmitten der kleinen und grossen Steine, und doch hatte er ab und zu ein Gefühl in sich, von welchem er nicht recht wusste, wie er es einordnen soll. Es war, als ob ihm etwas fehlte, er konnte aber nicht benennen, was es war. Immer wieder kam es vor, dass einer seiner Steinfreunde von einem Menschen aufgehoben und weggetragen wurde. Das machte ihn stets neugierig, doch wenn er daran dachte, selbst hier weggeholt zu werden, ängstigte ihn der Gedanke daran sehr. Er kannte nichts anderes und konnte sich nicht vorstellen, nicht mehr hier zu sein. So lebte er sein Leben und es hätte auch noch bis in alle Ewigkeit so weitergehen können, wenn nicht in diesen Tagen die ersten warmen Sonnenstrahlen den Schnee in den Bergen zum Schmelzen brachte, das Wasser im Bach anschwoll und in munteren Kaskaden ins Tal hinunter rauschte. Was in Ufernähe lag, wurde mitgerissen und so kam es, dass auch der grosse Ast einer Eberesche im Wasser mit geschwemmt wurde. In einem flachen Abschnitt verkeilte sich dieser zwischen zwei Steinblöcken und war dort einige Stunden eingeklemmt, bis ein im Wasser treibender Baumstamm ihn mit einem heftigen Stoss aus seiner misslichen Lage befreite. Durch den Ruck stiess er mit dem einen Ende mitten in einen Haufen Steine, und konnte vor dem vollen Eintauchen gerade noch sehen, wie einer dieser Stein durch die Luft wirbelte. Wer war wohl dieser Stein? Jawohl, unser kleiner Freund! Er landete mitten auf einer flachen Felsplatte, direkt am Ufer, unterhalb einer stolzen Haselstaude, welche ihren gelben Blütenstaub schon überall grosszügig verteilt hatte. Menschen gingen an ihm vorbei, Hunde schnupperten an seiner glänzendnassen Oberfläche und einmal machte sogar eine Maus eine kleine Rast neben ihm. Es ging schon gegen Abend zu, als er abermals Schritte vernahm. Es war eine Frau, die sich näherte und ihn erblickte. Genau in diesem Moment fiel ein letzter goldener Sonnenstrahl auf den Stein und der Frau schien es, als ob dieser ihr zugezwinkert hätte. Sie kniete sich nieder, nahm den Stein in ihre Hand und betrachtete ihn lange. „Wie schön Du bist“ sagte sie, so dass ihm ganz warm wurde ums Herz. Während er schon überlegte, ob sie ihn wohl mitnehmen würde, fragte sie: „Möchtest Du mit mir mitkommen? Ich kenne einen schönen Platz für Dich.“ Oh, er durfte selber entscheiden! „Ja, ja klar, ich komme mit, los geht’s.“ So machten sie sich zusammen auf den Weg. Nach einigen Schritten kamen sie über eine Brücke und nachdem sie weiter den Bach entlang gegangen waren, duckte sich die Frau und trat in den Wald. Zweige knackten, als sie sich ihren Weg durch die Dämmerung suchten. Über einen kleinen Graben und zwischen einigen gefällten Bäumen hindurch, danach nach links, noch tiefer in den Wald hinein. Hier war es ganz still, kein Laut war zu hören, nur weit entfernt das Rauschen des Wassers und ein paar Vögel, welche den Tag verabschiedeten. Nun waren sie am Ziel. Sie befanden sich auf einer kleinen Lichtung, in deren Mitte eine mächtige Tanne ihre Äste weit in den Himmel hinauf reckte. Am Fuss der Tanne gab es eine kleine, natürliche Erhöhung, auf welche sich die Frau nun setze. Sie legte den Stein auf ihr Knie, kam mit ihrem Gesicht ganz nah an ihn ran und flüsterte: „Hier ist es, Dein neues Zuhause. An diesen Platz komme ich immer wieder und er bedeutet mir sehr viel. Ich bin hier immer willkommen und habe mir lange überlegt, was ich diesem Ort zurückgeben könnte. Vorhin, als ich Dich dort unten habe liegen sehen, wusste ich sofort, dass Du es sein sollst, Du bist so etwas Besonderes und drückst mit Deiner Form meine Liebe aus, welche ich für diesen Platz empfinde. Doch sag mir ehrlich: magst Du hier bleiben und Teil dieses Ortes werden?“ Das war keine Frage, er wollte nichts anderes! Und so kam es, das der herzige Stein inmitten dieser schönen Lichtung ein neues Zuhause fand und nie mehr auch nur einen Gedanken daran hatte, dass ihm irgendetwas fehlen könnte…

1 Kommentar:

  1. Liebe Kathrin, die Geschichte stupft mich wieder, meinen Ort zu finden.
    Danke - betula lenta

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Kathrin